„Es gibt keine Zugangsvoraussetzungen, um bei uns mitzumachen. Das merken die Leute und gliedern sich schnell in die Gruppe ein.“
Interview mit Marco Knorr von Kronberg Livetower e.V.
Wie sieht Euer Alltag so aus?
Die Hauptsaison in der wir arbeiten ist von Mitte April bis Mitte Oktober. Das hat damit zutun, dass wir uns auf einem 4200 qm Freigelände bewegen, das heißt es läuft fast alles draußen ab. Am kommenden Sonntag haben wir das sogenannte Lichterfest.
Dienstags und Donnerstag spielen wir Beachvolleyball mit jungen Erwachsenen und Jugendlichen. Sonntags sind die Kronsberger Turmfalken, eine Pfadfindergruppe, aktiv. Die Stockbrotkids, unser Flaggschiff, treffen sich jeden Mittwochabend um 17 Uhr, wo wir zuletzt zwischen 80-120 Menschen auf dem Gelände waren. Wir bieten ein abwechslungsreiches Programm für Kinder an, was auch vom Wetter und der Jahreszeit abhängig ist- Bewegungsspiele, Geschicklichkeitsspiele, Wettkampfspiele, Kooperationsspiele, Klettern, und das Ganze mündet immer in gemeinsam Stockbrot backen am Lagerfeuer, was für viele Stadtkinder echt ein Highlight ist, weil sie so etwas sonst so nicht erleben.
Ich hab gelesen dass der Ursprung Eures Vereins in Hannover Mitte ist. Wieso seid ihr jetzt in Kronsberg aktiv?
Gegründet wurde der Verein durch die Freikirche Adventgemeinde an der Fischerstraße in der Nähe des Königsworther Platz mit der Motivation nicht nur für die eigenen Leute etwas anzubieten, sondern der Stadt etwas zurück zu geben. Ganz nach dem Motto: Wir werden nicht die ganze Welt verändern und wir werden uns nicht jeden Tag engagieren können, aber das was wir machen werden soll sehr gut vorbereitet sein.
Die Gründergruppe hat eine Sozialraumanalyse gemacht, bzw. sich soziologischen Statistiken angeschaut. Sie haben festgestellt, dass es in Kronsberg eine Kinderrate von 30 Prozent im Vergleich zu einem Hannoverweiten Durchschnitt von 15 Prozent hat. Dann haben sie mit vielen Familien und Eltern gesprochen, weil sie nicht an den Bedürfnissen der Menschen vorbei arbeiten wollten. Sie haben gefragt, Was haltet ihr für dringend geboten in diesem Stadtteil? Was fehlt? Was würdet ihr euch wünschen?
Und da gab es eine sehr deutliche Einschätzung: Es gibt keine offenen Freizeitangebote.
Das ist heute anders, aber so war der Stand um 2005.
Diese Ergebnisse wurden dem Bezirksrat und dem Bürgermeister vorgestellt. Die fanden das so cool, dass sie für das Projekt ein Gelände gesucht und dies an der Bahnhaltestelle Feldbuschwende bereitgestellt haben.
Wen erreicht ihr mit Eurem Angebot?
Wir fokussieren uns eigentlich auf die Zielgruppe 6-12Jährige , aber da die Familien immer mit ihren Geschwistern und Eltern kommen zieht sich die Bandbreite von 1-18 und älter. Es kommen zunehmend Eltern mit auf’s Gelände.
Insofern könnte man denken, dass wir uns Integration und interkulturelle Vielfalt und Gemeinschaft auf die Fahne geschrieben haben – haben wir aber gar nicht.
Es ist offensichtlich so attraktiv für Menschen, die vielleicht nicht überall so eine offene Erfahrung von Begegnungskultur machen.
Was macht eure Begegnungskultur aus?
Wir versuchen den Menschen bedingungslos anzunehmen. Es gibt keine Zugangsvorraussetzungen, Du musst nicht Mitglied sein oder etwas leisten bevor Du hier mitmachen kannst und das merken die Leute sehr schnell. Sie können sich sofort in die Gruppe eingliedern. Auch Diskriminierung gibt es auf dem Gelände immer wieder, aber auch das greifen wir auf und gehen damit proaktiv um. Wenn da Übergriffe passieren, dann lassen wir das nicht laufen. Im Gegenteil, bei uns verteidigen wir einen diskriminierungsfreien Raum. Das wirkt.
Wie funktioniert Kommunikation mit Mehrsprachigkeit?
Es gibt Familien aus Afghanistan, aus dem Irak und aus anderen Ländern. Manchmal iszt es so, dass sie nicht lange in Deutschland sind und kein Wort Deutsch sprechen. Aber es gibt immer sogenannte Schlüsselpersonen, die nicht nur sehr mehrere Sprachen sprechen und so ein Bindeglied sind, sondern auch kulturell verbindend sind, indem sie deren Heimatkultur vertreten können und die Anforderungen in Deutschland gut verstehen und so dazwischen gut vermitteln können. Es ist echt spannend, weil Menschen über diese Schlüsselpersonen sich trotzdem gleich einbringen können. Diese Schlüsselpersonen , die in mehreren Kulturen zuhause sind, die wachsen ganz natürlich in diese Rolle rein, weil es ihnen leicht fällt aber auch, weil das Umfeld ihnen es zuspricht.
Ich höre hier heraus, dass ihr eher informelle Strukturen habt, über die das Miteinander läuft.
Formale Strukturen gibt es im Hintergrund , die sind wichtig zur Führung des Vereins ,z.B. zur Einhaltung der Satzung, aber alles was die Menschen erleben, was zugänglich ist, ist komplett informell geregelt. Und das heißt für uns auch Gute Nachbarschaft zu kultivieren. Im besten Fall erleben die Menschen hier etwas, was sie außerhalb unseres Programms in ihrem Alltag weiterführen, Beziehungen knüpfen, Freundschaften, Nachbarschaft.
Was ist Deine Erfahrung mit Netzwerkarbeit?
Netzwerkarbeit funktioniert nur, wenn du echtes Interesse an dem anderen Netzwerkpartner hast. Wenn Du versuchst zu verstehen was sind denn deren Interessen und Bedürfnisse und wo kann Deine Person oder Deine Einrichtung auch dort unterstützen. Wenn das glaubwürdig beim anderen ankommt, kriegst du auch den Support den Du brauchst.
Was fehlt hier vielleicht noch bzw. was braucht es noch?
Ich fange mal so an: Städtische Einrichtungen sind wichtig und richtig, können aber bei weitem nicht alles regeln. Es braucht unbedingt Bewegung von unten, Graswurzelbewegungen.
Ehrenamtliche Netzwerke, die sich aufmachen und etwas aus ihrem lokalen Umfeld heraus gestalten. Diese bringen eine Lebensweltkompetenz mit. Sie sehen und spüren, wo der Schuh drückt und was im ihrem Umfeld wirklich gebraucht wird.
Sich dort vor Ort aufzumachen und zu engagieren halte ich für zentral auch für ein Aufeinander zu bewegen zu formellen Strukturen.
Vielleicht braucht es Bindeglieder, die helfen, solche Bürgerbewegungen zu entwickeln und die einen Dialog mit der Stadt ermöglichen. Es gibt es ja über Ehrenamtsbörsen und ähnlichem , aber ich glaube es braucht Netzwerkakteure, die richtig gut darin sind, Initiativen einzusammeln und einen Dialog mit der Stadt zu ermöglichen, die Grenzgänger sind und zwischen beiden Welten vermitteln können wie eben Ökostadt, zB. Mit den Stadtteilspaziergängen. Dort habe ich z.B. von dem Netzwerk Bürgermitwirkung der Stadt Hannover erfahren, welches für unsere Arbeit super relevant ist.